Der Arbeitskräftemangel in der deutschen Gastronomie bleibt 2025 ein drängendes Problem – obwohl gleichzeitig Millionen Menschen arbeitslos gemeldet sind. Das Nebeneinander von offenen Stellen und ungenutztem Arbeitskräftepotenzial wirft Fragen auf: Warum finden Betriebe kein Personal, obwohl es Arbeitssuchende gibt? Und welche strukturellen Ursachen stecken dahinter?
Widerspruch zwischen offenen Stellen und Arbeitslosigkeit
In Deutschland sind derzeit etwa 2,7 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Gleichzeitig gibt es rund 1,6 Millionen offene Stellen – eine Zahl, die in vielen Branchen eher wächst als sinkt, obwohl insgesamt der aussagekräftige Stellenindex BA-X steigt. Besonders ausgeprägt ist der Widerspruch in der Gastronomie: Hotels, Restaurants und Cafés melden gerade in der Hochsaison tausende unbesetzte Stellen, während gleichzeitig der allgemeine Arbeitsmarkt stagnierende Beschäftigungszahlen zeigt.
Ursächlich ist oft ein sogenannter „Mismatch“: Die Qualifikationen, Erfahrungen oder zeitlichen Verfügbarkeiten vieler Arbeitsloser stimmen nicht mit den Anforderungen der offenen Stellen überein. Hinzu kommt die mangelnde Attraktivität bestimmter Branchen, darunter insbesondere das Hotel- und Gaststättengewerbe. Auch sind die Stellen oft in typischen Urlaubsregionen – wo eben weniger Menschen leben, die Arbeitslosenhochburgen sind in den Metropolen.
Die aktuelle Lage in der Gastronomie
Im Juni 2024 wurden in der Gastronomie rund 8.800 offene Fachkräftestellen gemeldet – ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr, in dem noch über 16.000 unbesetzte Fachkräfte gesucht wurden. Dieser Rückgang ist jedoch nicht auf eine verbesserte Lage zurückzuführen, sondern vor allem darauf, dass viele Betriebe ihre Erwartungen heruntergeschraubt und die Zahl der gemeldeten Stellen reduziert haben.
Am stärksten betroffen sind Positionen in der Küche und im Service: Es fehlen weiterhin ausgebildete Köche, Fachkräfte im Restaurantservice und Systemgastronom*innen. Auch Reinigungspersonal, Küchenhilfen und Aushilfen im Ausschankbereich sind schwer zu finden.
Gleichzeitig ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den vergangenen fünf Jahren spürbar gesunken. Im Vergleich zu 2019 gab es 2024 etwa 19 Prozent weniger Beschäftigte im Gastgewerbe. Während einige Kräfte in andere Branchen abgewandert sind, gingen andere aufgrund der Corona-Krise früher in Rente oder haben sich aus gesundheitlichen Gründen neu orientiert.
Ursachen des Personalmangels
Mehrere Faktoren tragen dazu bei, dass die Gastronomie trotz Arbeitslosigkeit zu wenig Personal findet:
- Niedrige Löhne: Viele Tätigkeiten im Gastgewerbe werden mit Mindestlohn oder knapp darüber vergütet. Überstunden sind häufig, Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit nicht immer garantiert. Für viele Menschen lohnt sich ein Einstieg unter diesen Bedingungen wirtschaftlich nicht – zumal angesichts steigender Lebenshaltungskosten.
- Belastende Arbeitszeiten: Arbeiten am Wochenende, in Schichten, an Feiertagen und in der Nacht ist in der Branche die Regel. Dies erschwert nicht nur die Vereinbarkeit mit dem Privatleben, sondern führt auch zu gesundheitlicher Belastung – besonders in Kombination mit körperlich fordernden Tätigkeiten.
- Fehlende Aufstiegsperspektiven: Viele Stellen sind wenig planungssicher oder bieten kaum langfristige Perspektiven. Es mangelt an Weiterbildungsmöglichkeiten, klaren Karrierestufen und verlässlichen Arbeitsverträgen. Die Folge ist eine hohe Fluktuation.
- Imageverlust durch die Pandemie: Während der Corona-Zeit wurden viele Beschäftigte in Kurzarbeit geschickt oder verloren ihren Job. Viele kehrten nach der Krise nicht zurück, weil sie in anderen Branchen Fuß fassen konnten, die mehr Sicherheit und bessere Bedingungen bieten.
- Qualifikationsdefizite: Viele der Arbeitslosen verfügen nicht über die spezifischen Fähigkeiten oder Sprachkenntnisse, die für die Arbeit im Service oder in der Küche notwendig wären. Gleichzeitig fehlen Programme zur schnellen und praxisnahen Qualifizierung, um diese Lücke zu schließen.
Folgen für Betriebe und Kunden
Der Personalmangel hat bereits spürbare Auswirkungen auf das gastronomische Angebot in Deutschland:
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Öffnungszeiten werden verkürzt oder ganze Ruhetage eingeführt.
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Speisekarten werden reduziert, Angebote vereinfacht oder saisonale Specials gestrichen.
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Die Qualität des Service leidet, da ungelernte oder überlastete Kräfte eingesetzt werden müssen.
- Marketingaktivitäten bleiben auf der Strecke, Homepages werden nicht mehr aktualisiert, was langfristig zu weniger Gästen führt
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Gäste müssen häufiger mit Wartezeiten, eingeschränktem Betrieb oder ausfallenden Reservierungen rechnen.
Insbesondere in touristisch geprägten Regionen – etwa an der Nord- und Ostsee oder in Großstädten – gefährdet der Fachkräftemangel die Wirtschaftskraft ganzer Standorte.
Lösungsansätze
Die Herausforderungen sind bekannt – und die Lösungsansätze liegen auf der Hand, sind aber politisch und wirtschaftlich nicht einfach umzusetzen.
- Bessere Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen:
Nur wenn gastronomische Berufe attraktiv bezahlt und zuverlässig organisiert sind, können sie Menschen langfristig binden. - Investition in Ausbildung und Weiterbildung: Moderne, praxisorientierte Ausbildungsgänge mit echter Karriereperspektive können junge Menschen wieder für Gastronomieberufe gewinnen.
- Einwanderung und Integration fördern: Gezielte Programme zur Qualifizierung und Anerkennung ausländischer Abschlüsse könnten helfen, dringend benötigte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen und dauerhaft zu integrieren. Am einfachsten ist die Zuwanderung aus anderen EU-Staaten, wobei auch in diesen bereits ein Fachkräftemangel festzustellen ist.
- Digitalisierung und Prozessoptimierung: Durch Automatisierung einfacher Abläufe – etwa in der Bestellung oder Bezahlung – können Mitarbeitende entlastet und effizienter eingesetzt werden.
- Imagewandel und Wertschätzung: Die Branche muss sich als zukunftsfähig und verantwortungsvoll positionieren – mit einem modernen Selbstverständnis, das auf Anerkennung, Gleichberechtigung und Entwicklung setzt. Führungskräfte sollten gezielt in ihren Soft Skills trainiert werden, denn das größte Problem ist die Mitarbeiterfluktiation, gar nicht so sehr die Gewinnung neuer Mitarbeiter.
Was ist nun zu tun?
Der Arbeitskräftemangel in der deutschen Gastronomie ist das Ergebnis struktureller Schwächen, die sich über Jahre aufgebaut haben. Die Branche leidet unter ihrem schlechten Ruf, geringen Löhnen und hohen Belastungen – und das trotz hoher Nachfrage und gesamtwirtschaftlicher Relevanz.
Gleichzeitig zeigt sich: Die zunehmende Arbeitslosigkeit allein löst das Problem nicht. Nur mit gezielten Investitionen in Personal, Ausbildung und Strukturen kann die Gastronomie dauerhaft als attraktiver Arbeitsplatz bestehen – und damit ihren Platz im gesellschaftlichen Leben sichern.